In den letzten Wochen ist das Thema Verkaufszahlen im deutschen Rap omnipräsent. Doch das Ganze auf die diskussionsfreudigen Fans abzuschieben wäre schlichtweg falsch. Diesen Trend haben die Künstler und teilweise ihre Manager oder Labelchefs selbst zu verantworten.
So verkündete jüngst Farid Bang, dass sein Schützling Majoe in der ersten Woche mehr verkaufen konnte als Fler und Chakuza mit ihren aktuellen Alben zusammen. Bushido legte noch einen drauf und verkündete, dass sein Künstler Shindy bereits mehr Vorbestellungen verbuchen könne als Fler und Chakuza zusammen verkauften.
Fragt sich nur in welcher Form solche Informationen relevant sind. Der Konsument kann die Zahlen sowieso nicht prüfen und gute Verkaufszahlen sind noch lange kein Gütesiegel für gute Musik.
Nicht in Vergessenheit geraten ist auch der unprofessionelle öffentliche Zwist zwischen den Verantwortlichen von Chimperator und Selfmade Records über den Gold-Status von Cros jüngstem Album “Melodie“.
Sierra Kidds Manager Hadi El-Dor erklärte öffentlich, dass Chakuza eigentlich mehr als Fler, der in den Charts vor ihm platziert war, verkaufte. Ausserdem verkündete er angebliche Verkaufszahlen von Majoes Platz-1-Album “Breiter als der Türsteher“, nur um kurz später Twitter-Schelte der Verantwortlichen von Banger Musik zu bekommen. Zu guter letzt erklärte Chakuza, der seine exakten Zahlen eigentlich am besten kennen müsste, dass alle Angaben falsch wären.
Fakt ist, dass sich das System der “Verkaufszahlen” jüngst verändert hat und genau aus diesem Grund auch jeder Rapper mit x-beliebigen Editionen seines Albums und Beilagegadgets auf den Markt geht, denn der Umsatz entscheidet. Grundlegend ist daran auch nichts Verwerfliches, so lange die Fans der Künstler die Auswahl haben und bereit sind mehr als nur die eigentliche CD des Künstlers zu kaufen. Die Wertung der “Musik”-Charts wird jedoch verwässert wenn beispielsweise auch T-Shirts, Gürtel oder Beilage-DVDs automatisch in die “Musik” eingerechnet werden.
Bela B., Schlagzeuger und Sänger der Band Die Ärzte äussert sich aktuell auf Noisey genau zu diesem Thema und berichtet von einem Erlebnis beim CD-Kauf. Ein ihm unbekannter Rapper bietet eine Box für 40 Euro an.
“Inzwischen ist die Wertung für die Charts allerdings ein weiteres Mal aufs Perverseste geändert worden. Nun zählen nicht mehr allein die verkauften Einheiten, sondern auch der Preis, sprich das umgesetzte Geld, die Chartposition. Deswegen verkaufen so viele Musiker jetzt limitierte Premium Boxen. Ich habe gestern die Box eines Rappers gesehen, von dem ich noch nie gehört habe, die 40 Euro kostet. Eine Box wird also gerechnet wie vier normale CDs. Wenn du davon 100 verkauft hast, bist du in den Charts. Meine Theorie ist, dass Streetteams diese Boxen kaufen und damit dann eine Chartplatzierung zustande kommt.
Wenn du eine limitierte CD für 120 Euro auf den Markt bringst, wie Rammstein, ziehst du damit Bands ab, die von der Stückzahl das Zehnfache verkaufen müssen, um mitzuhalten. Gewertet wird nach dem Preis, nicht nach der Menge—Kapitalismus pur. Gruselig.
Und da wundert sich jemand, dass die Leute das Interesse an der Musik verlieren?”
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