Alligatoah über Erfolg, Rapmedien, Entstehung der Songs, Manager Basti uvm.

Heute veröffentlicht das virtuose Trailerpark-Mitglied Alligatoah sein neues Solo-Album “Triebwerke“. Nach zahlreichen visuellen Hinleitungen, offiziellen Musikvideos und einem von sozialen Plattformen indiziertem Album-Cover ist das Werk ab jetzt in den Läden. Spit-TV.de sprach mit dem Rapper, der gerne mal seine Gitarre zur Hand nimmt, u.a. über die Entstehung seiner Songs, die Rapmedien, seine Rolle als Künstler und Interviewter, seine Definition von Erfolg und vieles mehr.


Wie ist das Gefühl zum heutigen Release Deines Albums “Triebwerke”? Spürst Du enormen Druck oder stehst Du dem Ganzen entspannt gegenüber?

Je näher das Release rückt, desto mehr Punkte auf der To-Do-Liste sind abgehakt und desto näher rückt man dem erleichternden Moment alles getan zu haben, was man tun konnte. Die Aufregung vor den Reaktionen der Menschen ist natürlich trotzdem sehr groß.

Dein Manager und jüngst die Fee in Deinem “Halt die Fresse”-Video Basti ist ja für seinen exzessiven Lebensstil bekannt, den er u.a. auf Facebook oder Twitter zur Schau stellt. Wie läuft denn die Arbeit mit ihm? Von außen ist es meist schwer zu glauben, dass ihr das alles geregelt bekommt.

Basti ist so eine Art Batman. Im normalen Leben ein ganz gewöhnlicher Junkie von nebenan. Aber wenn es Nacht wird und die Musikindustrie drauf und dran ist den Bach runter zu gehen kommt ein furchteinflößend kompetenter und erfolgreicher Manager zum Vorschein, der meine Interessen perfekt vertritt und durchzusetzen weiß. Weitere Entwicklungsstufen sind dann Pinke Fee und Giraffe, aber das gehört hier nicht her. Die Zusammenarbeit ist äußert harmonisch.

Wie wichtig sind für Dich persönlich und Deine Arbeit Drogen? Du thematisierst diese ja immer wieder in Songs.

Rauschmittel werden auf „Triebwerke“ nur ein einziges mal in dem Song „Willst du“ thematisiert, welcher sich eigentlich nicht mal speziell um Drogen dreht, sondern um den allgemeinen, zeitgenössischen Lifestyle, der die Ästhetik in der Selbstzerstörung sucht.
Zu alkoholisiertem Musizieren bin ich persönlich nicht in der Lage und da dies das einzige Rauschmittel ist, welches ich meinen Begleiter nennen kann, spielen Drogen in meiner Musik eine untergeordnete Rolle.
Wenn man das Ganze im größeren Zusammenhang betrachtet erkennt man, dass auch die Liebe eine Droge sein kann und da wären wir wieder bei meinem Album. Sucht und Gier – nach was auch immer – sind in der Tat wiederkehrende Motive im Alligatoah-Universum und deshalb setze ich mich auch viel mit dem Thema auseinander.

Du produzierst selbst Deine Songs. Erkläre doch mal Dein grundlegendes Equipment.

Man nehme: Zwei Gitarren, einen Bass, ein Blatt Papier, einen Kugelschreiber (möglichst ein Werbegeschenk, damit das Zerstörungsrisiko durch spontane Wutanfälle einkalkuliert ist), ein Sennheiser Mikrofon aus den 70er Jahren mit Tuchelkabel, einen Windows-PC, dessen Gehäuse entfernt wurde, damit sich die andauernden Überhitzungs-Warn-Geräusche in Grenzen halten, ein 50€ Interface, eine Cubase Version aus längst vergangenen Epochen, eine Kiste mit alten CDs und Platten und Reason. So entstehen Beats und Skizzen.
Um einen Song dann aber richtig aufzunehmen und komplett fertig zu machen fahre ich zu meinem Kumpel Moretime ins Studio. Da stehen die ganzen tollen Geräte, deren Namen ich mir eh nicht merken kann. Gemütlich ist es dort.

Recordest Du zu Hause Demoaufnahmen und gehst dann ins Studio? Oder wie kann man sich den Entstehungsprozess Deiner Songs vorstellen?

Genau so kann man sich das vorstellen. Wie mit dem Schulmäppchen unterm Arm tänzel ich fröhlich pfeifend mit dem fertigen Text auf dem Papier und dem nahezu fertigen Beat auf dem USB-Stick ins Studio. Ich bin deshalb so ausgelassen, weil zu diesem Zeitpunkt in der Regel schon ca. zwei Monate Arbeit in dem Song stecken. Im Studio selbst kann alles relativ schnell gehen. Wenn mir jetzt kein Greifvogel mehr in die Kehle fliegt, um dort zu brüten, ist ein Song an einem Tag eingesungen.

Du hast ja bereits ein kleines Making of zu “Stromausfall” veröffentlicht. Ist das auch das Studio in dem Du arbeitest? Scheinen ja ziemlich viele Künstler vor Ort zu sein, den Instrumenten nach zu urteilen.

Moretime’s Studio ist ein gepolsterter, in angenehm gedimmtem Licht gehaltener Kreissaal. Hier wird man Zeuge vom Wunder des Lebens, wenn eine lange entwickelte Idee endlich das Licht der Welt erblickt und Laufen lernt.
Es gehen auch andere Künstler ein und aus, denen begegne ich jedoch meistens nicht. Man sieht nur ihre Kratzer und Blutspuren an den Instrumenten kleben, wenn man wieder einmal dort ist.

Nimmst Du aus den Aufnahmen auch etwas für die Zukunft mit? Mehr mit organischen Instrumenten zu arbeiten? Oder ein Instrument, dass Du im Zuge der Aufnahmen “kennengelernt” hast zu üben?

Ich habe gemerkt, dass man mit seinen eigenen Fähigkeiten bei vielen Instrumenten schnell an seine Grenzen stößt und deshalb ist es auf jeden Fall mein Plan in Zukunft viel mit anderen fähigen Instrumentalisten zu arbeiten, sofern sie sich instrumentalisieren lassen. Ich muss mir nur noch überlegen, welche Instrumente mir besonders wichtig sind und wie meine Musik der Zukunft klingen soll aber vielleicht wird es auch einfach wieder eine Fahrt ins Blaue.

Du erklärst in einem Interview, dass Dein Stil gar nicht mehr in ein Genre packbar ist. Nervt es Dich dann ein wenig, dass Du aktuell “nur” von den Rapmedien wahrgenommen wirst?

Überhaupt nicht. Ich finde das super endlich in den Medien statt zu finden, die ich selbst als Deutschrap-Fan Jahre lang konsumiert habe. Was man so hört sind wir da im HipHop auch überaus gut aufgestellt. So viele Online Magazine, Interview Plattformen etc. gibt es in anderen Musikrichtungen in diesem Land nicht.
Ich mag die HipHop Medien außerdem sehr, weil man nicht jedes Mal bei Adam und Eva anfangen muss, wenn man etwas erklärt, da gewisses Grundwissen über Rap einfach vorausgesetzt werden kann und man weiß, dass man die selbe Sprache spricht.

In Deiner Musik gehst Du sehr stark aus Dir raus, in Interviews wirkst Du sehr sachlich und reflektiert. In Kommentaren wird das oftmals als Unsicherheit gedeutet. Ist das so, oder nimmst Du den Künstler gezielt aus den Interviews zurück und sprichst ernsthaft über Deine Kunst?

Wenn ich so im normalen Leben reden würde, wie in meinen Liedern, bräuchte ich ja keine Lieder mehr machen. Ich war aber immer schon jemand, der sehr ungern unfertige Gedanken ausspricht. Wenn ich eine Frage gestellt bekomme, über die ich noch nie nachgedacht habe weiche ich tendenziell eher aus, damit ich mich erstmal in Ruhe damit beschäftigen kann. Manche Sachen kann ich auch einfach schlicht nicht beantworten und dann gerät man ins wirre Philosophieren.
In meiner Musik habe ich durch die Zeit zwischen Idee und fertigem Song ja endlich diesen Luxus Gedanken 1000 Mal im Kopf hin und her zu werfen. Das ist der Hauptunterschied zwischen mir im Gespräch und mir auf einer CD.

Du bist heute hauptberuflich Musiker. Ein Traum vieler. Erkläre doch mal kurz die Sonnenseiten und die Schattenseiten, die Du bis dato erfahren hast.

Wo wir grade beim Interview-Thema waren. Die vielen Fragen, die man endlich gestellt bekommt nachdem man ein paar Jahre Musik gemacht hat und niemand mit dir über die Inhalte reden möchte sind auf jeden Fall Sonnenseiten. Schattenseiten sind ebenfalls die vielen Fragen die man auf einmal beantworten muss, obwohl man doch manchmal genau so wenig weiß warum man etwas auf eine bestimmte Art gemacht hat. Eine Medaille mit zwei Seiten (Wie es Medaillen meistens nun mal so an sich haben).

Hast Du vielleicht Tipps an Jugendliche, die auch ihr Hobby zum Beruf machen wollen?

Ja. Das Hobby solange Hobby sein lassen, bis es von alleine zum Beruf wird. Auf Krampf so etwas zu erzwingen ist nicht gut.

Fast jeden Monat schafft es ein Künstler auf Platz 1, Künstler wie Cro oder Casper existieren neben Haftbefehl und Kraftklub. Wie empfindest Du aktuell die Entwicklung des deutschen Raps?

Die Entwicklung ist toll. Grade wegen der Vielfältigkeit macht Rap gerade unglaublich viel Spaß. Es gibt sehr viele talentierte Kollegen und sehr viele außergewöhnliche Musiker. Das muss man feiern. Lang lebe Deutschrap!

Gibt es für Dich aktuell Wunschfeatures, die vielleicht auf “Triebwerke” leider noch nicht stattfinden konnten oder noch Zukunftsmusik sind?

Nach Triebwerke ist meine 3 DIN A 4 Seiten lange Wunschfeature-Liste um 4 Namen kleiner geworden aber es gibt noch einige mit denen ich gerne mal einen Song machen würde. Wer Namen nennt lebt nicht lange, habe ich auf der Straße gelernt. Mal schauen, was die Zukunft bringt.

Alle reden von Charts und Verkäufen. Ab wann wäre denn “Triebwerke” für Dich persönlich ein Erfolg?

Der Erfolg zu charten ist vollkommen irrelevant im Vergleich mit dem Erfolg Menschen meine Musik hörbar zu machen. Natürlich würde ich mich über eine gute Platzierung freuen, aber Zahlen durch den Raum zu werfen ist das ungesundeste, was ich mir selbst antuen kann. Nun habe ich schon extra einen Beruf gewählt, der von Mathematik kaum weiter entfernt sein könnte. Ich hasse Zahlen. Ich kann mir auch keine Zahlen merken, außer die Telefonnummer von meiner Oma und die Lost-Zahlen.

Werfen wir final einen Blick in die Zukunft. Wo siehst Du Dich denn in 5 Jahren?

Ich sehe mich nicht. Ich habe versucht in diese Zukunftskugel zu gucken, aber da sind nur so ein nebliger Matsch und ein paar lilane Blitze. Ich habe auch probiert die Linien auf meiner Hand zu deuten, aber da sind keine. Die Zukunft steht in den Sternen haben sie gesagt, aber in der Großstadt sieht man keine Sterne bei dem ganzen Licht-Smog.
Ich habe deshalb aufgegeben in die Zukunft zu gucken. Die Gegenwart ist grade eh viel zu unterhaltsam.

Vielen Dank für das Interview!

Alligatoah – “Triebwerke” (Bestellen)

Alles rund um Alligatoah findet ihr hier.

x

Wir verwenden Cookies, um Ihnen die beste Online-Erfahrung zu bieten. Mit Ihrer Zustimmung akzeptieren Sie die Verwendung von Cookies in Übereinstimmung mit unseren Cookie-Richtlinien.